Im zurücklegenden September machte sich der DAX (und andere Aktienindizes) daran, ein neues Hoch zu erklimmen. Die weithin beachteten Geschäftsklima-Indizes von Markit und dem Ifo-Institut verliehen dem Börsengeschehen Glaubwürdigkeit. In den USA verzeichneten die Indizes ebenfalls neue Hochs und sogar die Schwellenländer, welche zuvor unter den massiven Abwertungen ihrer Währungen gelitten hatten, kam es zu fulminanten Kursavancen.
Nun weiss jeder gut ausgebildete Aktienanalyst, dass die Aktienbörse der Konjunktur vorauseilt und damit den Unternehmensgewinnen. Denn eine von Verlusten begleitete Steigerung der wirtschaftlichen Aktivität würde sich logischerweise sehr schnell totlaufen. Ausserdem sind die Finanzmärkte effizient. „The market is never wrong.“, lautet das Mantra.
Aber was ist „der Markt“? Der Index? Oder ein irgendwie anders geartetes Maß für die durchschnittliche Aktienkursentwicklung?
Der hier abgebildete Chart verwendet (rote Linie) den FAZ Aktienindex zur Darstellung der Kursentwicklung der deutschen Börse. Vor Einführung des DAX galt er als Standard Aktienbarometer. Ohne auf die Details seiner Berechnung näher eingehen zu wollen, ist doch eines sofort augenfällig: Er notiert weit unter seinen Allzeit-Hochs. die liegt vor allem daran, dass dieser Index mit 100 Komponenten breit diversifiziert ist.
In der Tat ist seit Monaten die Marktbreite der Börsen allgemein ein Problem. Die Phase der stärksten Marktbreite wurde bereits im Frühjahr verzeichnet. Seitdem fällt beispielsweise trotz neuer DAX-Hochstände die Anzahl der neuen 52-Wochen-Höchstkurse hier und in den USA stetig zurück.
Die schattierten Flächen auf dem Chart zeigen zudem, dass an zyklischen Tops der Aktienindex durchaus noch weiter steigen kann, obwohl die Konjunktur, hier gemessen an der Wachstumsrate der Industrieproduktion, bereits abebbt und damit den Punkt des stärksten Wachstums überschritten hat. Insofern ist der Index irreführend und hat seinen Charakter als Frühindikator eingebüsst. Am rechten Rand des Charts erkennt man, dass wir uns aktuell – mit hoher Wahrscheinlichkeit – erneut in einer Periode befinden, wo der Indexverlauf von dem der Produktion abweicht. Letztere war mit Ausnahme des Juni 2013 (+0.2%) beständig negativ. Seit Oktober 2012 schrumpft also die Produktion! Von Wachstum keine Spur. Damit ist eigentlich alles zu den Konjunktur- und Aktienrisiken gesagt. Alles deutet darauf hin, dass die Aktienbörse derzeit ein Spielball reiner Finanztransaktionen ist, die vor allem auf Währungsverschiebungen beruhen.
„Könnte nicht doch noch alles ganz anders kommen?“ Diese Frage ist impliziert das berüchtigte „Diesmal ist alles anders!“ Diese Feststellung ist typischerweise das Resultat eines langen Prozesses von Rechtfertigungen eines Kursverhaltens, das sich mit traditionellen Analysemethoden nicht (mehr) erklären lässt. Man sagt dann auch, dass es einen „Paradigmenwechsel“ gegeben hat.
Nun, unser gut ausgebildete Aktienanalyst würde sich den Rentenmarkt anschauen und feststellen, dass dieser von einem Allzeit-Hoch im Mai 2013 steil gefallen ist. Die Gründe wollen wir hier aus Raumgründen nicht näher erörtern. Aber er weiss, dass die Anleihekurse den Aktienkursen vorauseilen und zwar um sechs bis zwölf Monate. Alle Finanzierungsmaßnahmen in einer Volkswirtschaft kristallisieren sich nämlich an Geld- und Rentenmarkt, bevor sie in der Folge zu realwirtschaftlichen Aktivitäten (Konsum, Produktion) führen. Demnach wäre der November der erste „gefährliche“ Monat für die Aktienmärkte, wenn der Vorlauf nur sechs Monate betrüge oder der Markt ohnehin schon seit Monaten angeschlagen ist.
Darüber hinaus ist auch aus den Rohstoffmärkten keinerlei Konjunkturbelebung ablesbar.
Wie man es auch dreht und wendet, die vergangenen sechs Monate waren für Aktienanleger schwierig. Wer „den Index kaufte“, kaufte sich auch erheblich Risiken ein, weil er damit auch eine zunehmende Anzahl von Aktien kaufte, welche bereits in stabilen Abwärtstrends waren und sind. Wer Stock Picking betrieb, dessen (rein statistischen) Erfolgschancen sanken auf deutlich unter 50%. Gegenwärtig sehen von den dreißig DAX Werten nämlich nur sieben so aus wie der Index! Auslandsanlagen unterlagen einem erheblichen Währungsrisiko. Das haben vor allem die Anleger in den Schwellenländern schmerzlich erfahren müssen, wo manche Währung rund 20% zum Euro verlor. Und am Rentenmarkt gingen ab Mai alle Gewinne des Jahres verloren. Letzteres deutet, wie gesagt, darauf hin, dass wir in der unmittelbaren Zukunft noch mit unangenehmen Überraschungen rechnen müssen. Kapitalerhalt bleibt deshalb erste Priorität vor Rendite.
Im ersten Quartal 2014 sollte sich, bei aller Vorsicht der Lagebeurteilung, wieder eine gute Einstiegschance für Aktienanlagen ergeben. Das gilt für den Fall, dass der Rentenmarkt es schafft, sich nach seiner Baisse auf dem aktuellen Kursniveau zu stabilisieren. Das mag sich ernüchternd anhören, vor allem in Anbetracht der teils hohen Tagesschwankungen der Indizes. Aber erfolgreiches Investieren ist zunächst ein Geduldsspiel, ein Abwarten, bis die wichtigsten Indikatoren positive Signale geben, wie es z. B. Mitte 2012 der Fall war. Das Gefühl, etwas zu verpassen, gibt es nur am Top der Börsen und nie am Boden. Es kann übermächtig werden. Oder wie es im dem berühmten Cartoon Pogo heisst: „We have met the enemy and he is us.