Für Sie gelesen: Ein Kommentar von Susanne Bergius
Angesichts des vielfachen Unrechts in der Welt haben gerade wir Europäer derzeit die Nase wieder einmal besonders weit oben in der Luft. Schließlich werden bei uns moralische Werte gelebt und geachtet. Doch aus dem Blick anderer Kulturen kommt unsere scheinheilige Fassade schnell ins Wanken. Susanne Bergius nennt dafür einfache Beispiele:
„Die Europäer essen nur Hähnchenbrüste, den Rest des subventionierten Geflügelfleischs exportieren EU-Staaten, davon 31 Prozent (400.000 t) nach Afrika – sollen doch die Afrikaner die Hühnerreste in ihre Suppentöpfe geben. Tun sie auch, weil die Kleinteile billig sind. Auf diese Weise zerstören wir Europäer die Existenzgrundlage von Millionen kleinen Farmerinnen, die ihre wenigen Hühner kaum oder gar nicht mehr auf den Märkten verkaufen können. Schulgeld für ihre Kinder ist da nicht drin. Bravo, Ihr Europäer. Entwicklungshilfe könnt Ihr Euch schenken.
Auch die Wertewandlung ist absurd. „Du sollst Vater und Mutter ehren“, steht in der Bibel. Wer miterlebt, wie Väter und Mütter in Altenheimen dahinsiechen – und wer selbst erfahren hat, welche Anstrengung es erfordert, Eltern und Großeltern ein würdiges Dasein zu ermöglichen – , stellt fest, dass sich die 2000 Jahre alte christliche Vorgabe in vielen europäischen Ländern in Luft aufgelöst hat. Das trifft auch die anderen „Alten“, die Ü-50er, die noch im Berufsleben stehen oder stehen wollen. Viele verlieren ihre Jobs und haben kaum Aussicht auf eine neue Stelle. Erfahrung zählt kaum mehr, Ehre schon gar nicht.
Junge Chinesen können darüber nur den Kopf schütteln (wohl wissend, dass ihr Land ein Menschenrechtsproblem hat). Bei ihnen zählen noch das Wort und die Weisheit der Alten. Das gilt auch für solche, die in der angeblich entwickelten Welt studiert haben oder für westliche Firmen arbeiten und deren Standards hinsichtlich Mitbestimmung kennen. Junge Frauen und Männer nehmen Beschlüsse ihrer Eltern und Großeltern ohne viel Murren hin – selbst wenn sie nicht mehr zeitgemäß erscheinen und in unseren westlichen Augen Rebellion angesagt wäre. Aber wollen wir Europäer mit unseren über den Haufen geworfenen Werten den Afrikanern oder Chinesen zeigen. wo es lang geht? Besser nicht.“
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem monatlichen Newsletter „Handelsblatt Business Briefing Nachhaltigkeit“, den Susanne Bergius schreibt. Hier können Sie diesen Newsletter kostenfrei abonnieren!