Die Zahlen mussten für alle Länder nach unten angepasst werden
Rückblick
Wer erwartet hatte, dass nach dem Ausverkauf der Aktienmärkte im August das Schlimmste ausgestanden war, wurde im September eines Besseren belehrt. Erst jetzt und wieder einmal viel zu spät haben die führenden Investmenthäuser ihre Jahresschätzungen für das globale Bruttosozialprodukt der Realität anpassen müssen, weil China, wie schon befürchtet, doch in eine Wachstumsrezession von nur noch +3% bis +4% nach +7% abgerutscht ist. Deshalb mussten auch die Zahlen für alle Länder und auch besonders für Europa für 2016 nach unten angepasst werden. Zudem sind die seitens der westlichen Notenbanken angestrebten Inflationsziele von 2% wegen des anhaltenden Preisdrucks von Gütern und Rohstoffen in weite Ferne gerückt. Das war letztendlich auch der Grund für die nicht ganz unerwartete Entscheidung des Fed, trotz des Erreichens der amerikanischen Wachstumsziele, die Zinsen zunächst noch unverändert zu lassen. Die Anleger waren aber enttäuscht und haben deshalb erneut mit Aktienverkäufen reagiert. Das galt vor allem für die Hedgefonds, die dann noch einmal ihre vornehmlich in Euro kreditfinanzierten Aktienanlagen in Asien aber auch in der EU im großen Umfang bereinigt haben.
Für die Länder und im Besonderen für Deutschland kam noch erschwerend hinzu, dass die eigenmächtige und mit der EU nicht abgestimmte Entscheidung der Kanzlerin Merkel über die Zuwanderung von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten die Gemeinschaft in große Bewältigungsprobleme gestürzt hat. Mit dieser Bauchentscheidung erscheinen aber heute
nicht nur das Dublin- und Schengener-Abkommen von 1990, sondern plötzlich auch die Einführung des Euro, die Ausweitung der EU Mitgliedschaften, die fragwürdige Bewältigung der Euro- und Griechenland Krise und der aus wahltaktischen Überlegungen einseitige deutsche überstürzte Ausstieg aus der Kernenergie in einem neuen Licht. Es zeichnet sich
jetzt in all diesen Fällen ab, dass Berlin, Paris und Brüssel seit den neunziger Jahren eine Europäische Gemeinschaft ohne den für alle Mitglieder verbindlichen ordnungspolitischen und sozio-kulturellen Rahmen konstruiert haben. Sie haben es weitgehend versäumt, ihn bis heute durch existentiell notwendige Gesetze und Verordnungen zu fixieren und abzusichern
Ausblick
Das rächt sich jetzt! Der Ausgang der Wahlen in Katalonien ist ein erstes Warnzeichen. Deshalb muss die Nachhaltigkeit der Vision EU jetzt von der europäischen Öffentlichkeit hinterfragt und eingefordert werden. Die heute in der Pflicht stehenden Politiker, allen voran Frau Merkel und die Herren Hollande und Juncker, sind nun gezwungen umgehend die gesetzlichen Fehlstücke nachzuliefern, wenn das ganze Gebäude oder wesentliche Teilbereiche in Zukunft nicht in sich zusammenfallen sollen. Das ist eine gesetzgeberische und ökonomische Mammutaufgabe, die keinen Aufschub duldet. Die heutige Besetzung in ihrer opportunistischen, sozialromantischen und realitätsfernen politischen Ausrichtung lässt allerdings auch in Hinblick auf die in 2017 anstehenden Wahlen in Deutschland und Frankreich Zweifel an deren Gestaltungswillen und Fähigkeiten aufkommen. Vor diesem Hintergrund verkommt der nicht zu entschuldigende VW-Skandal zwar zur Episode, ist aber auch ein Zeichen für den geistigen und moralischen Zustand unserer Republik. Den deutschen Gutmenschen stehen schwere Zeiten bevor.
Kapitalmarktaussichten
Vor diesem Hintergrund und der gesunkenen Wachstums- und Gewinnaussichten der Volkswirtschaften und der sie tragenden Unternehmen müssen die Kapitalmarktaussichten für 2015/16 neu überdacht werden. Der auch weiterhin auf der Weltwirtschaft lastende Deflationsdruck lässt mit Ausnahme der USA keinen Zinserhöhungsspielraum seitens der anderen Notenbanken zu. Das bedeutet, dass die internationale Nachfrage nach langlaufenden westlichen Staatsanleihen aus Risikoüberlegungen auch weiterhin Bestand haben wird. Das sollte auch für den US Dollar gelten, nachdem die Währungskredite der Hedgefonds weitestgehend abgebaut sein werden. Für die westlichen Aktienmärkte sind die Gewinnerwartungen für 2015 und auch für 2016 erheblich gestutzt worden. Der Anpassungsprozess an den Aktienmärkten ist in vollem Gange und ausgehend von den USA ist bisher das Ende der Korrektur nicht absehbar. Das gilt trotz der durch den Ölpreisverfall und die Dollaraufwertung noch steigendenden Unternehmensgewinne auch für alle EU Aktienbörsen. Hinzu kommt, dass die internationalen Investoren zunehmend das Vertrauen in die Ordnungskraft der EU Politik verlieren und über die wieder steigende politische Einflussnahme in die ökonomischen Abläufe beunruhigt sind. Das wird am Beispiel Deutschlands in Bezug auf den Kursverfall von RWE und E.ON ungeachtet des neuen Problems VW besonders deutlich. Seit dem fatalen Ausstieg aus der Kernenergie im Frühjahr 2011 und dem Beschluss, dass die Versorger nach einem Spin-off der Kernkraftwerke auch weiterhin im Schadens- und Entsorgungsobligo verbleiben, können die Vorstände sich dann nur noch unter den Schutz des Konkursgerichts begeben. Die Politik hat nolens-volens dann wieder den Schwarzen Peter.
Seit den Höchstständen haben die Aktien der beiden Versorger eine Wertvernichtung von mehr als 200 Mrd. Euro erfahren. Das spüren mittlerweile auch die Länder, Kommunen und Pensionskassen, ganz abgesehen von zukünftigen Kapitalverlusten aus Anleihen und Krediten, dann ausgelöst durch die zwangsläufige Herabstufung der Kreditwürdigkeit aller
Versorger. Dem Großaktionär Niedersachsen von VW wird es nicht viel anders ergehen, wenn er wegen des Ausfalls auf zukünftige Dividendenzahlungen von jährlich über 150 Mio. Euro verzichten müsste, ganz abgesehen von Schadensersatzansprüchen Dritter aus einer möglichen aufsichtsrechtlichen Mitschuld an dem Abgasdesaster. Technisch stehen die Aktienmärkte wieder an kritischen Unterstützungspunkten. Sollten die im August erreichten Indextiefs in den USA, Europa und in Japan nicht halten, muss mit weiteren Kurseinbußen gerechnet werden, bevor ein tragender Bewertungsboden für Neuinvestments gefunden worden ist. Dieser Prozess kann aber nach Lage der Dinge Wochen dauern, zumal, wenn sich zum Jahresende hin auch in den westlichen Volkswirtschaften die Gefahr einer Rezession abzeichnen sollte, die in den Aktienmärkten bisher nicht eingepreist ist.